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Buch des Monats - April 2020

Hugo Greßmann – einer der führenden aber heute fast vergessenen Vertreter der sogenannten „Religionsgeschichtlichen Schule“ vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

ZB EKHN

In der Reihe „Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft“ ist mit dem Band 523 das Buch „Hugo Greßmann und sein Programm der Religionsgeschichte“ [Signatur: Zc 1 / B (523)] erschienen. Es handelt sich um eine biographisch-wissenschaftliche Studie über den protestantischen Alttestamentler Hugo Greßmann (1877–1927). Der Autor Dr. Sascha Gebauer – nach Ausbildung sowohl an der Humboldt-Universität als auch der Technischen Universität Berlin und danach an der Universität Potsdam; heute Pfarrer bei der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz – legt mit dieser Publikation eine überarbeitete Fassung seiner Dissertation von 2017/18 an der Universität Potsdam vor. Damit füllt Gebauer eine Forschungslücke, da es bisher keine ausführliche Beschäftigung mit der Person Hugo Greßmann gab, obwohl dieser Anfang des 20. Jahrhunderts neben Hermann Gunkel zu einem der führenden Vertretern der sogenannten „Religionsgeschichtlichen Schule“ gehörte. 

Die „Religionsgeschichtlichen Schule“ oder auch „Religionsgeschichtliche Methode“ zieht für das Verstehen des Alten Testaments vor allem ägyptische und altorientalische Texte und Bilder heran. Bei dieser historisch-kritischen Bibelauslegung werden Übereinstimmungen und Besonderheiten aller Quellen vergleichend untersucht, um festzustellen, in welchem Maße und mit welcher Intention religiöse Motive und Vorstellungen im Austausch der Kulturen aufgenommen und verändert wurden.

Dem Autor dienten als wissenschaftliche Grundlage neben den veröffentlichten Büchern und Aufsätzen von Hugo Greßmann auch über 200 unveröffentlichte Briefe aus der Korrespondenz mit Hermann Gunkel sowie der persönliche Nachlass Greßmanns. Der Aufbau des Buches ist für die Leser*innen gut nachvollziehbar, da sich Sascha Gebauer entlang des Lebenslaufes von Hugo Greßmann ausführlich mit den Publikationen, den theologischen Thesen und den wissenschaftlichen Methoden Greßmanns auseinandersetzt.

Sascha Gebauer untersucht neben der Dissertationsschrift, Habilitationsschrift, Büchern und Aufsätzen von Hugo Greßmann auch jeweils die zeitgenössischen Rezensionen und Reaktionen anderer Theologen. Der Autor erkennt zusammenfassend, dass Greßmann selbst seine theologischen Hypothesen immer schon zeitnah zur Diskussion stellte und er seine eigenen Thesen lebenslang fortlaufend überarbeitete.

Nach einer Forschungsreise in Palästina und den damit verbundenen persönlichen Beobachtungen und Erfahrungen mit der Geographie, dem Klima, der Kulturgeschichte sowie Völkerpsychologie erarbeitete Hugo Greßmann die Quellensammlung „Altorientalische Texte und Bilder zum Alten Testament“. Dabei betrachtete er das Textmaterial nicht nur unter rein literarkritischen Gesichtspunkten, sondern auch mit Methoden aus der Psychologie, Völkerkunde und Kulturwissenschaft.

In einem weiteren Kapitel untersucht der Autor Greßmanns Verhältnis zum Judentum. Besonders zu würdigen sei Greßmanns Wirken als Direktor des „Institutum Judaicum Berolinense“. Dieses erlebte unter seiner Leitung ab 1923 eine programmatische Neuausrichtung: Abkehr von der Judenmission, für die das Institut einst gegründet worden war; dafür die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Judentum. Konsequenterweise gehörten hierzu auch der Dialog mit jüdischen Forschern und eine von Greßmann initiierte Vortragsreihe von jüdischen Kollegen. Dieser Dialog führte Hugo Greßmann dann Anfang 1927 als ersten nichtjüdischen Gelehrten zu einer Gastprofessur an das „Jewish Institute of Religion“ in New York.

Ebenfalls übernahm Greßmann 1923 bis zu seinem plötzlichen Tod 1927 für drei Jahrgänge die Herausgeberschaft der „Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (ZAW)“, die unter seiner Ägide ab 1924 in einer „Neuen Folge“ mit eigener Zählung auch eine Neuausrichtung erfuhr. Die Zeitschrift stellte nun programmatisch die Archäologie, die Religionsgeschichte und den altorientalischen Kontext des Alten Testaments und somit die „Religionsgeschichtliche Methodik“ in den Vordergrund.

Abschließend stellt Sascha Gebauer noch einmal zusammenfassend das religionsgeschichtliche Programm Hugo Greßmanns dar, ordnet dieses in den wissenschaftlichen Kontext ein und zeigt die Bedeutung für die weitere Wissenschaftsgeschichte auf.

Sollte Sie diese wissenschaftlich fundierte aber gleichzeitig gut zu lesende Publikation neugierig gemacht haben – wir stellen sie Ihnen gerne zur Ausleihe zur Verfügung. Im Lesesaal der Zentralbibliothek finden Sie im Neuerwerbungsregal auch alle weiteren Neuanschaffungen. In Zeiten eingeschränkter Zugangsmöglichkeiten zur Bibliothek wegen des Corona-Virus können Sie sich bequem über alle Neuerwerbungen und den Gesamtbuchbestand der Zentralbibliothek über das Internet in unserem OPAC informieren. Sollten Sie gesuchte Publikationen nicht im OPAC finden – wir besorgen diese auch gerne per Fernleihe.

Seien sie gespannt auf weitere Bücher des Monats. Sie erscheinen jeweils zum Monatsende hier auf unserer Website.

Elke Boß

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